Dem Wortschatz von Lernenden kommt eine zentrale Rolle für die schulische Bildung sowie für den akademischen und beruflichen Erfolg zu (s. z.B. Studien zur Rolle des Wortschatzes im naturwissenschaftlichen Unterricht). Daher spielt die Wortschatzarbeit eine zunehmende Rolle in pädagogischen Arbeiten und in der öffentlichen Diskussion zu Bildungsthemen. Davon zeugen Zeitungskolumnen, pädagogische Texte, aber auch das ein oder andere Bildungswörter-Quiz, Online-Tools, mit denen man jeden Tag ein neues Fremdwort aus dem Bildungswortschatz lernen kann, sowie viel diskutierte und nicht unumstrittene YouTube-Videos oder Ratgeberbücher, die den Bildungswortschatz beschreiben und helfen sollen, „Bildungswörter“ zu verstehen und richtig anzuwenden.
Mit dem zunehmenden Interesse am Wortschatz wächst auch der Fachwortschatz in der pädagogischen Wortschatzforschung selbst. Daher soll dieser Blogbeitrag eine kleine Einführung in die Kernbegriffe der aktuellen Wortschatzforschung geben. Im Mittelpunkt stehen dabei die folgenden Termini:
- Wortschatz, Sprachschatz, Lexik und mentales Lexikon,
- produktiver und rezeptiver Wortschatz,
- Alltagswortschatz, Bildungswortschatz und Fachwortschatz,
- Fachwörter, Fachausdrücke und Termini,
- Grundwortschatz, Aufbauwortschatz, Kernwortschatz und Gesamtwortschatz,
- BICS und CALP,
- intrafachlicher, interfachlicher, extrafachlicher und nichtfachlicher Wortschatz sowie
- Wortschatzschichten.
Wortschatz, Sprachschatz, Lexik und mentales Lexikon
Als Wortschatz bezeichnet man die Gesamtheit aller Wörter. Hierbei kann man sich auf die Gesamtheit aller Wörter einer Sprache zu einem gegebenen Zeitpunkt beziehen. Man kann den Terminus aber auch für die die Gesamtheit aller Wörter einer Sprache verwenden, über die ein einzelner Mensch verfügt. Anstelle des Wortes Wortschatz werden häufig auch die Termini Vokabular oder Lexikon benutzt.
Der Terminus Lexik wird typischerweise nur für den Wortschatz einer Sprache und nicht für den Wortschatz von Individuen gebraucht. Demgegenüber verwendet man in der Psycholinguistik den Begriff mentales Lexikon für die Repräsentation lexikalischer Informationen im Gedächtnis von Individuen und untersucht, wie die Bedeutung und die Form von Wörtern (in Lauten, Schrift oder Gebärden) organisiert und gespeichert werden.
Der Terminus Sprachschatz ist etwas weiter gefasst als der Terminus Wortschatz, da er neben der Gesamtheit der Wörter auch die Gesamtheit der Wendungen einer Sprache umfasst.
Produktiver und rezeptiver Wortschatz
Für psycholinguistische Studien zum mentalen Lexikon, aber auch für die Sprachpädagogik, ist die Unterscheidung zwischen dem rezeptivem und produktivem Wortschatz zentral: Zum rezeptiven Wortschatz gehören die Wörter, die ein Individuum kennt oder erkennt. Da der rezeptive Wortschatz zum Verstehen von gesprochener Sprache, Gebärdensprache oder geschriebener Sprache beiträgt, wird er auch Verstehenswortschatz genannt. Er ermöglicht es einem Individuum nämlich, zu einem Wort die jeweilige Bedeutung aus dem Gedächtnis abzurufen. Außerdem erlaubt der rezeptive Wortschatz es uns, die Bedeutung von Teilen komplexer Wörter abzurufen und uns so die Bedeutung von Wörtern zu erschließen, auch wenn wir sie bislang noch nicht gehört haben. Dies könnte z.B. für das Wort Wort-schatz-terminologie-blog-beitrag der Fall sein, dessen Bedeutung sich aus der Kombination der Bedeutung seiner Bestandteile ergibt.
Zum produktiven Wortschatz gehören die Wörter, die Individuen schon so oft begegnet sind, dass sie stabile Gedächtnisspuren für diese Wörter haben und sie selbst produzieren können. Der produktive Wortschatz erlaubt es uns, zu einer bestimmten Bedeutung das entsprechende Wort aus dem mentalen Lexikon abzurufen. Da der produktive Wortschatz es uns so ermöglicht, uns schriftlich, mündlich oder durch Gebärden auszudrücken, wird er auch als Ausdruckswortschatz bezeichnet.
Da Wörter beim Erwerb zuerst wahrgenommen und später erst systematisch produziert werden können, ist der rezeptive Wortschatz größer als der produktive Wortschatz.
Gelegentlich findet man statt der Begriffe produktiver Wortschatz und rezeptiver Wortschatz noch die Begriffe aktiver Wortschatz bzw. passiver Wortschatz. Diese Termini werden in der aktuelleren Forschung und Lehre allerdings nicht mehr verwendet, da Studien zum mentalen Lexikon sehr deutlich gezeigt haben, dass auch das Verstehen von Wörtern ein aktiver Prozess ist.
- Weitere Informationen und Denkanstöße findet man in einem kurzen YouTube-Video zum Thema: „Was heißt: „Ich kenne ein Wort?“
Alltagswortschatz, Bildungswortschatz und Fachwortschatz
Der Alltagswortschatz ist der Wortschatz der Alltagssprache, d.h. er gehört zu dem sprachlichen Register, das wir überwiegend mit vertrauten Personen zur Kommunikation im Alltag einsetzen. Dabei sind uns die Sprechsituationen typischerweise ebenfalls vertraut – und es wird überwiegend über Persönliches gesprochen. Außerdem nutzen wir den Alltagswortschatz vor allem dazu, uns über konkrete Erfahrungen im „hier und jetzt“ auszutauschen, wobei wir Gestik und Mimik unterstützend einsetzen können. Der Alltagswortschatz enthält übliche, gebräuchliche Wörter, die häufig eine eher einfache Wortstruktur aufweisen.
Der Bildungswortschatz gehört zum sprachlichen Register der Bildungssprache, von dem wir Gebrauch machen, wenn wir in institutionellen Kontexten abstraktes Wissen und komplexe Zusammenhänge kommunizieren wollen, wenn wir anderen etwas erklären, argumentieren oder uns über Gegenstände, Tiere oder Personen austauschen wollen, die nicht anwesend sind. In solchen Situationen reichen Zeigegesten oder beschreibende Gesten typischerweise nicht aus, um das Gemeinte auszudrücken.
Bildungssprache wird im Unterricht und im akademischen Bereich verwendet, wenn wir uns neues Wissen aneignen oder es anderen zu vermitteln versuchen. Dabei unterstützt uns die Bildungssprache zugleich bei der eigenen Reflexion über die entsprechenden Sachverhalte bzw. Zusammenhänge und wird so zum „Werkzeug des Denkens“ (Morek & Heller, 2012, S. 69). Typisch für den Bildungswortschatz sind z.B. Nominalisierungen wie das Denken oder die Bebilderung sowie Komposita wie Inklusionsstrategiepapier und andere längere oder komplexe Wörter. Darunter sind auch zahlreiche Fremdwörter und Abstrakta wie Biodiversität oder Artenvielfalt.
Der Bildungswortschatz ist für die Teilhabe an Unterrichtsgesprächen sowie für das Verstehen von Texten in Lehrwerken und Prüfungen erforderlich; er wird aber in alltäglichen Situationen typischerweise nicht eingeübt. Daher ist der Bildungswortschatz von besonderem Interesse für pädagogische Maßnahmen zur Sprachbildung und Sprachförderung.
Der Fachwortschatz gehört zur Fachsprache, die eine schnelle und möglichst präzise und eindeutige Verständigung von Fachleuten ermöglichen soll. Dabei findet man Fachsprache sowohl im wissenschaftlichen Kontext als auch in populärwissenschaftlichen Publikationen und in anderen Bereichen, wo Expertentum vorliegt (z.B. im technischen oder kreativen Bereich).
Wörter der Fachsprache entstammen häufig dem Allgemeinwortschatz, weisen aber eine spezifischere Bedeutung auf (vgl. z.B. Spannung, Feld, Kraft oder Widerstand in der Physik oder Hoch und Tief in der Meteorologie). Dass die genaue Bedeutung eines Fachbegriffs stets in Abhängigkeit vom betreffenden Fach gesehen werden muss, erkennt man z.B. an der unterschiedlichen Bedeutung des Begriffes Wert in den Naturwissenschaften, in der Ökonomie und in der Philosophie bzw. Ethik. Manche Fachwörter werden auch neu gebildet, im Deutschen häufig auf der Basis von griechischen oder lateinischen Wörtern (z.B. Katalysator) oder durch Komposition (z.T. auch mit Fremdwörtern wie z.B. bei Quantensprung).
Im Gegensatz zu Wörtern aus dem Alltags- oder Bildungswortschatz werden Wörter aus dem Fachwortschatz exakt definiert. Dies ermöglicht es Fachleuten, sie eindeutig und relativ unabhängig von der spezifischen Situation zu verwenden.
Beim Vergleich von Alltagswortschatz, Bildungswortschatz und Fachwortschatz ist zu beachten, dass diese nicht strikt voneinander getrennt sind: Einerseits sind viele Fachwörter, wie z.B. der Terminus Widerstand in der Physik, aus der Alltagssprache übernommen und mit einer spezifischeren und klarer umrissenen Bedeutung versehen worden. Andererseits können Fachwörter vermehrt in umgangssprachlichen Kontexten auftreten, wenn das betreffende Fachgebiet verstärkt in den Medien präsent ist (vgl. z.B. die Rolle von Fachbegriffen aus der Virologie in Pandemiezeiten).
Die folgende Literatur zur Abgrenzung von Alltagssprache, Bildungssprache und Fachsprache bietet weitergehende Informationen zum Wortschatz in diesen Registern:
- Becker-Mrotzek, M., K. Schramm, E. Thürmann & H. J. Vollmer (Ed.). 2013. Sprache im Fach. Sprachlichkeit und fachliches Lernen. Münster: Waxmann.
- Graf, D. (1989). Begriffslernen im Biologieunterricht der Sekundarstufe 1. Empirische Untersuchungen und Häufigkeitsanalysen. Frankfurt am Main: Peter Lang.
- Lütke, I. Petersen & T. Tajmel (Ed.), Fachintegrierte Sprachbildung. Forschung, Theoriebildung und Konzepte für die Unterrichtspraxis. Berlin/Boston: De Gruyter Mouton.
- Morek, M. & Heller, V. (2012). Bildungssprache ‒ Kommunikative, epistemische, soziale und interaktive Aspekte ihres Gebrauchs. Zeitschrift für angewandte Linguistik, 57 (1), 67-101. doi:10.1515/zfal-2012-0011.
- Tajmel, T. (2017). Naturwissenschaftliche Bildung in der Migrationsgesellschaft. Grundzüge einer Reflexiven Physikdidaktik und kritisch-sprachbewussten Praxis. Wiesbaden: Springer VS.
Fachwörter, Fachausdrücke und Termini
Zur Definition eines Fachbegriffes gehören dabei typischerweise ein Oberbegriff (genus proximum) und ein besonderes Merkmal, das ihn von anderen Unterbegriffen unterschiedet (differentia specifica). So haben Definitionen häufig die Form „Ein X ist ein Y mit Z“, „Ein X ist ein Y, bei dem …“ oder „Ein X ist ein Y, das …“, wobei das Y für den Oberbegriff steht.
Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen einem Fachwort und einem Fachausdruck oder Terminus (vom lateinischen Wort terminus für „fester Punkt“). Ein Fachausdruck oder Terminus kann ein Fachwort sein. Die Begriffe Fachausdruck und Terminus werden aber auch für feste Kombinationen aus mehreren Wörtern verwendet. Dies ist z.B. bei Pflanzennamen in der Botanik der Fall.
Die Menge der Fachausdrücke eines Feldes bezeichnet man als seine Terminologie. Sie wird häufig in Glossaren oder Datenbanken dokumentiert und stellt ein kontrolliertes Vokabular dar, das z.B. für technische Dokumentationen oder Übersetzungen herangezogen wird. Wird eine Terminologie eines Fachbereichs verbindlich festgelegt (wie z.B. die Terminologie zur Bezeichnung von Gattungen und Arten in der Biologie) bezeichnet man sie als Nomenklatur. Weitere Informationen zur Verwendung von Terminologie findet man in der DIN-Norm 2342, die Grundbegriffe für die Terminologielehre und Terminologiearbeit festlegt.
Da Fachbegriffe zur Kommunikation im akademischen bzw. beruflichen Bereich unabdingbar für die zweckbezogene, präzise und erfolgreiche Kommunikation sind, spielen sie im Fachunterricht eine zentrale Rolle. Präzise Fachbegriffe sind auch für reibungslos ablaufende bürokratische Prozesse unabdingbar. Unbekannte. falsch oder nur teilweise verstandene Fachbegriffe können jedoch die Kommunikation zwischen Behörden und den Menschen erschweren, die mit Texten der Behörde konfrontiert sind, z.B. beim Ausfüllen von Anträgen oder Formularen. Daher sind Fachbegriffe auch ein zentraler Gegenstand der Forschung zur Textverständlichkeit (s. z.B. Thim-Mabrey und Rössler 2020).
- Baxmann-Krafft, E.-M. (Ed.) (1999), Normen für Übersetzer und technische Autoren. DIN, Deutsches Institut für Normung e.V. Berlin: Beuth.
- Thim-Mabrey, C., & Rössler, P. (Ed.). 2020. Verständliches Erklären und Instruieren: Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu Beispielen medialer, fachlicher, behördlicher und betrieblicher Kommunikation E-Publikation Universitätsbibliothek Regengsburg. DOI: 10.5283/epub.43718
Grundwortschatz, Aufbauwortschatz, Kernwortschatz und Gesamtwortschatz
Einzelnen Individuen erwerben im Verlauf ihres Lebens nicht den Gesamtwortschatz einer Sprache, d.h. alle Wörter, die von der betreffenden Sprachgemeinschaft verwendet werden. Sie lernen vielmehr nur einen Teil der Wörter im Gesamtwortschatz zu verstehen (rezeptiver Wortschatz) – und sie werden einen noch kleineren Teil der Wörter im Gesamtwortschatz selbst produzieren (produktiver Wortschatz). Für die Planung von Sprachunterricht, Sprachbildung und Sprachförderung muss man daher wissen, welche Teile des Wortschatzes man zuerst erwerben sollte. Darauf beruht die Unterscheidung zwischen Grundwortschatz, Aufbauwortschatz, Kernwortschatz und Gesamtwortschatz.
Der Grundwortschatz wird auch als: Basiswortschatz, Gebrauchswortschatz, oder Minimalwortschatz bezeichnet. Dadurch kommt bereits seine Rolle als „Einstiegswortschatz“ zum Ausdruck. Der Grundwortschatz wird typischerweise als diejenige Menge von Wörtern definiert werden, die man braucht, um ca. 85 % eines beliebigen Textes einer bestimmten Sprache in einem bestimmten historischen Entwicklungsstadium zu verstehen. Der sogenannte Aufbauwortschatz ist hingegen erforderlich, um höhere Anteile von Texten zu bewältigen.
Laut Alan Pfeffer benötigte man für das Deutsch zum Untersuchungszeitpunkt seiner Studie (Veröffentlichung 1975) ca. 1.285 Wörter, um je nach Textsorte zwischen 86% und 92% der Wörter in den Texten zu erfassen. Lewandowski gibt 1991 an, dass die 1.000 häufigsten Wörter ausreichen, um ca. 80 % von deutschen Texten zu verstehen, während die 2.000 häufigsten Wörter zu einer Textabdeckung von ca. 90 % führen und die 4000 häufigsten Wörtern zu einer Textabdeckung von 95 %. Für das Deutsche umfassen Grundwortschatzlisten typischerweise die 2000 häufigsten Wörter, Aufbauwortschatzlisten die ca. 2500 häufigsten Wörter und Kernwortschatzliste die ca. 5000 häufigsten Wörter. Weitere Literaturangaben und Diskussionen findet man in der Arbeit von Kilsbach (2018).
Die Häufigkeitsangaben beruhen auf Korpora, d.h. auf systematischen Textsammlungen, die möglichst repräsentativ für die betreffende Sprache sein sollen. Eine Liste mit relevanten Korpora für das Deutsche findet man auf dem Sprachspinat-Blog. Bei den vorgestellten Analysen werden lediglich Wörter und ihr Auftreten in Texten erfasst. Man kann durch solche Angaben keine Aussagen darüber machen, ob die Texte tatsächlich verstanden werden, wenn man einen bestimmten Anteil der auftretenden Wörter im rezeptiven Wortschatz hat.
Außerdem kann ein Wort in verschiedenen Formen auftreten (z.B. Haus-Häuser-Häusern oder treffen-trifft-traf-getroffen). Daraus können zusätzliche Verständnisprobleme entstehen. Hinzu kommt, dass im Unterrichtskontext oder im spezifischen Alltag der Lernenden auch Wörter wichtig sein können, die in Korpora nicht sehr häufig auftreten (z.B. Asylantrag, Anwesenheitsliste oder Moodle). Dennoch liefern frequenzorientierte Studien zum Grundwortschatz und Aufbauwortschatz Informationen, die berücksichtigt werden sollten, wenn man überlegt, welche Teile des Wortschatzes in frühen Erwerbsphasen gelehrt werden sollten, um mit möglichst geringem Lernaufwand ein möglichst hohes Textverständnis zu erzielen.
- Kilsbach, S. (2018). Wortschatzerweiterung in autonomen Erwerbskontexten: zum systematischen Ausbau des individuellen Erweiterungswortschatzes Fortgeschrittener im Land der Zielsprache. Doctoral dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen.
- Lewandowski, Theodor (1991). Deutsch als Zweit- und Zielsprache. Handbuch zur Sprachförderung. Trier: WVT.
- Pfeffer, J. Alan (1975). Erarbeitung und Wertung dreier deutscher Korpora. Tübingen: Narr.
BICS und CALP
Die Unterscheidung zwischen BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) und CALP (Cognitive Academic Language Proficiency, auch „literacy-related skills“) geht auf eine Arbeit von Cummins von 1979 zurück und entstand im Kontext von Migrationsstudien.
Bei BICS handelt es sich um grundlegende Sprachfertigkeiten, die für die Verwendung von Sprache im unmittelbaren persönlichen Austausch in informellen Situationen und in der alltäglichen Konversation notwendig sind. Sie setzen keine höheren kognitiven Leistungen voraus. Solche Fertigkeiten werden Cummins zufolge bei Zweitsprachlernenden schon nach ca. 1-3 Jahren des Umgangs mit der Zweitsprache erworben.
CALP sind Sprachfertigkeiten, die höhere kognitiv Leistungen erfordern und es Lernenden erlauben, Sprache dekontextualisiert zu verwenden, d.h. nicht nur auf das „hier und jetzt“ bezogen. Solche Fähigkeiten ermöglichen es Lernenden, in der betreffenden Sprache zu denken, Schriftlichkeit zu nutzen und sich mit Hilfe der Sprache Lerninhalte anzueignen. Diese Fertigkeiten werden Cummins zufolge bei Zweitsprachlernenden typischerweise erst nach ca. 5-7 Jahren des Umgangs mit der Zweitsprache erworben. Dabei kann der Prozess sich aber auch 7-10 Jahre hinziehen, wobei es große inter-individuelle Unterschiede zwischen Lernenden gibt.
In einer neueren Arbeit von 2000 ersetzt Cummins den Begriff CALP durch den Begriff der academic proficiency und betont die Rolle von Kompetenzen, die über die Einzelsprache hinausgehen. Dieser Begriff ist eng verwandt mit dem Begriff der Bildungssprache – und dementsprechend auf den Begriff des Bildungswortschatzes bezogen. Einen Überblick über die Diskussion gibt eine Publikation von Cummins, die 2008 erschienen ist. Dort finden sich auch weitere Literaturangaben, insbesondere zu empirischen Studien.
- Cummins, J. (1979) Cognitive/academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimum age question and some other matters. Working Papers on Bilingualism, 19, 121-129.
- Cummins, J. (2000). Language, power, and pedagogy: Bilingual children in the crossfire. Clevedon, UK: Multilingual Matters.
- Cummins, J. (2008). BICS and CALP: Empirical and theoretical status of the distinction. In B. Street & N. H. Hornberger (Eds.), Encyclopedia of language and education: Vol. 2. Literacy (2nd, pp. 71-83). New York: Springer.
Intrafachlicher, interfachlicher, extrafachlicher und nichtfachlicher Wortschatz
Roelcke (1999) unterscheidet beim Wortschatz von Fachtexten vier Gruppen von Wörtern:
Der intrafachliche Wortschatz besteht aus Wörtern, die ausschließlich der betreffenden Fachsprache angehören. Zum interfachlichen Wortschatz gehören hingegen Wörter, die auch in anderen fachsprachlichen Systemen Verwendung finden. So finden sich z.B. viele Wörter aus der Fachsprache im Bereich Geschichte auch in den Fachbereichen Soziologie oder Geographie wieder. Wörter aus dem extrafachlichen Wortschatz werden auch in anderen fachsprachlichen Systemen verwendet und fachfremd gebraucht. Der extrafachliche Wortschatz entspricht im Wesentlichen dem Bildungswortschatz. Der Großteil der Wörter in Fachtexten stammt aus dem nichtfachlichen Wortschatz. D.h., es handelt sich bei diesen Wörtern um allgemeine, fachlich nicht zuordenbare bzw. nicht fachgeprägte Wörter des Alltagswortschatzes.
- Roelcke, Th. (2010). Fachsprachen. Dritte Auflage. Berlin: Schmidt.
Wortschatzschichten
Beck, McKeown und Kucan (2008) unterscheiden verschiedene Schichten („tiers“) des Wortschatzes: Die erste Schicht enthält Wörter, die im Alltag häufig verwendet werden. Zur zweiten Schicht gehören Wörter, die in schriftnahen Kontexten (sehr) häufig auftreten, im Alltag aber eher selten sind. Diese Wörter sind aber nicht auf bestimmte Themen bezogen – also nicht domänenspezifisch. Die dritte Schicht umfasst den domänen- und fachspezifischen Wortschatz.
- Beck, I. L., McKeown, M. G., & Kucan, L. (2008). Creating robust vocabulary: Frequently asked questions and extended examples (Vol. 10). New York: Guilford Press.
Mein persönlicher Sprachspinat-Tipp
Wer mehr zum Thema „Wortschatz“ erfahren möchte, kann sich z.B. im folgenden Handbuch weiter informieren:
- Haß, U., & Storjohann, P. (Eds.) (2015). Handbuch Wort und Wortschatz. Berlin: de Gruyter.
Sehr nützlich für die Beschäftigung mit dem deutschen Wortschatz ist natürlich auch der „Klassiker“ Duden, mittlerweile seit vielen Jahren als Online-Ressource verfügbar. Weitere Online-Ressourcen zum deutschen Wortschatz findet man auf meiner Liste von Textsammlungen (Korpora) und lexikalischen Datenbanken zum Deutschen. Besonders finde ich das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (DWDS) sowie die Leipziger Wortschatz-Datenbank. Mit Hilfe dieser beiden Ressourcen kann man u.a. die hier eingeführten Termini zur Wortschatzforschung – oder auch beliebige andere deutsche Wörter der Alltags-, Bildungs- und Fachsprache nachschlagen, mehr über ihre Häufigkeit in verschiedenen Textsorten erfahren und Beispiele für ihre Verwendung im Satzkontext finden.
Wer sich aus pädagogischer Perspektive mit dem Wortschatz befasst, findet mehr Informationen auf der Webseite des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, wo ich selbst auch arbeite. Dort entwickelt man gerade einen sprachwissenschaftlich und sprachdidaktisch begründeten Wortschatz für den Primar- und Sekundarbereich, der demnächst als e-Ressource zur Verfügung stehen wird. Einen ersten Überblick über das Projekt bietet ein Poster von Rebekka Wanka und Michael Becker-Mrotzek. Weitere Information werden auf der Projektwebseite veröffentlicht.
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